Dienstag, 6. Oktober 2009

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Mit Links wird meist auf Wikipedia-Artikel Bezug genommen.

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Montag, 10. August 2009

1  Worum geht es?


Es besteht der Wunsch, musikalische Töne zu erzeugen, die nicht an die übliche temperierte Stimmung gebunden sind. Nach unbefriedigenden Hardware-Versuchen führt nun Software zum Ziel: Ein PC schreibt Musik im Wave-Format, das leicht ins gängige MP3-Format gewandelt und abgespielt werden kann.

Verglichen mit einem "akustischen" Instrument wird ein Synthesizer immer steril klingen. Zwar wird eine Menge Aufwand getrieben, den Eindruck der Sterilität zu mildern; aber in erster Linie soll die "Wave Engine" (kurz: "WE") — unter Verwendung des Großen Quintenzirkels — der Erforschung der Gesetzmäßigkeiten im reinen Oktav-Quint-Terz-System ("OQT-Sytem") dienen. Ein auf- und anregendes Thema, wie ich meine.

Zur Bildung einer Tonkurve werden 44100 Werte pro Sekunde errechnet. Es sollte klar sein, dass ein PC diese Aufgabe nicht in Echtzeit erledigen kann. Es wird (per PC-Tastatur) eine spezielle Partitur geschrieben, die der PC dann interpretiert und daraus das Musikstück erstellt. Der Komponist/Maschinist kann so lange Kaffee trinken gehen; umgekehrt — aus Sicht des Hörers — kann das Instrument blitzschnell umregistriert werden.

Um die Wartezeiten zu verkürzen, bieten sich zwei Möglichkeiten an: Es gibt eine "Draft-Betriebsart", die die Aufgabe (mit klanglichen Einbußen) in 1/4 der Zeit erledigt; und es kann mit Partitur-Bruchstücken experimentiert werden.

Die Beschreibung des Partiturformats wird durch Hörbeispiele garniert. Hier vorab zwei kleine Hörproben mit einfachen Parametern: [1] [2]. (<1> verwendet die übliche Stimmung, <2> den Großen Quintenzirkel mit praktisch reinen Terzen.)

2  Das Konzept in Kürze

Obgleich die "Wave Engine" nicht direkt per Manual gespielt werden kann, lässt sie sich — aus Sicht der Partitur — mit einer viermanualigen Orgel vergleichen. Jedes der vier (registrierbaren) Manuale kann maximal sechs Töne zugleich erklingen lassen, und jeder Ton besteht aus 16 Teiltönen. Die Töne sind in der Regel abklingend, wobei der Grad der Dämpfung ("fading") wählbar ist.

Beendete Töne brechen nicht abrupt ab, sondern sind nachklingend ("sustain"). Eine weitere Dämpfung ("staccato") sorgt dafür, dass der Einsatz eines neuen Tons durch einen noch klingenden nicht gestört wird.

LinkDas Instrument hat einen Tonumfang von neun Oktaven, vom Subkontra-C bis zum sechsgestrichenen C (etwa 16,3 bis 8345 Hertz).

Es kann zwischen zwei Stimmungen gewählt werden:
  • die übliche 12-tönig gleichstufig temperierte Stimmung ("Kleiner Quintenzirkel");
  • eine 53-tönig gleichstufig temperierte Stimmung ("Großer Quintenzirkel"). Letztere kommt (im Gegensatz zur 12-tönigen) dem reinen Oktav-Quint-Terz-System bis auf unhörbar kleine Abweichungen nahe.

3  Oktaven, Quinten, Terzen


Reine Intervalle sind durch einfache Schwingungsverhältnisse definiert (und nicht etwa durch eine Anzahl Zwölftel-Oktaven). Der Oktave ist das Verhältnis 1:2 (sprich: "1 zu 2") eigen, der Quinte 2:3, der Quarte 3:4, der großen Terz ("Durterz") 4:5, der kleinen Terz ("Mollterz") 5:6 etc. Alle weiteren Intervalle lassen sich aus Oktaven, Quinten und Terzen bilden.

Das Bild zeigt eine Oktave (waagrechte Linie C−C), die durch die annähernd senkrechten Linien in zwölf gleiche Abschnitte ("Halbtöne") unterteilt ist (hier nicht weiter hervorgehoben). In der 12-tönig gleichstufig temperierten Stimmung ("12er-Temperatur", Klavier) liegen alle Töne im sogenannten "Quintenzirkel", der hier als waagrechte Linie erscheint. Die Quintenspirale ist zum Zirkel verbogen.

Die üblichen Tonbezeichnungen (und auch die gängige Notenschrift) beziehen sich auf ein reines Quintensystem, das im Bild angedeutet ist. His liegt ein pythagoreisches Komma höher als C, obwohl das Klavier für beide Töne dieselbe Taste anbietet. Die Töne sind also namentlich unterschieden.

Schwieriger ist es mit Terzen (rote Linien): "Terztöne" (hier: es und e) werden üblicherweise nicht besonders bezeichnet; deshalb seien hier um der Verständigung willen Bezeichnungen eingeführt. Im C-Dur-Akkord liegt Ton e ein syntonisches Komma unter E und im C-Moll-Akkord Ton es ebenso weit über Es. In diesem Artikel hier werden "Terztöne" durch kleine Lettern (ggf. unterstrichen) gekennzeichnet, "Quinttöne" dagegen mit großen — solange es sich um Töne innerhalb einer beliebigen Oktave handelt (und nicht um absolute Tonhöhen wie a' = 440 Hz).

4  Die 53-Töne-Tapete

In der 53-tönig gleichstufig temperierten Stimmung ("53er-Temperatur"), die von der Wave Engine verwendet wird, fallen die Töne Dis und es zusammen (nicht aber Dis und Es wie beim Klavier). Anders ausgedrückt: Pythagoreisches und syntonisches Komma werden zusammengezogen und bleiben als "mittleres Komma" (1/53 Oktave) erhalten. (23,46 und 21,51 werden zu 22,64 Cent). Alle Fehler, namentlich die der Terzen, bleiben unter der 2-Cent-Grenze (das ist etwa die Unreinheit der Klavier-Quinte) und dürfen damit als unhörbar gelten.

Die 53er-Temperatur erfordert eine übersichtliche Darstellung ihrer "Tonorte". In dieser "Töne-Tapete" repräsentieren die beiden Knotenpunkte ("C"), die von der waagrechten Mittellinie getroffen werden, zwei C-Töne im Oktavabstand (etwa c' und c"). Klicken Sie das Bild groß!

Auf den leicht nach rechts geneigten Hilfslinien befinden sich alle dargestellten Tonorte, wodurch ein Lupeneffekt erzielt wird. Im Gegensatz zum Bild in Kapitel 3 kommen Linien, die nach oben verschwinden, von unten wieder herein und umgekehrt.

Die Tonorte der 53er-Temperatur sind durch 53 Knotenpunkte pro Oktave dargestellt (die auch im blaugrün unterlegten Raster abgezählt werden können). Die Wahl der einzelnen Töne wird sich danach richten, wie sie mit anderen Tönen harmonieren.

Die sechs senkrechten Linien treffen die Töne c', d', f', g', b', c", wobei z. B. c'−g' und f'−c" Quinten darstellen. Das Intervall D−a dagegen ist um ein Komma zu klein und damit keine Quinte.

Die hervorgehobenen Töne kennzeichnen die C-Skala. Die Färbung entspricht den weißen und schwarzen Tasten des Klaviers (wenn auch die Anordnung anders aussieht). Das heißt, die heller gefärbten Tonorte stellen die C-Dur-Tonleiter dar. Erkennen Sie das Logo oben neben dem Blogtitel?

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5  Bezeichnungen der Töne

Im reinen Oktav-Quint-Terz-System gibt es keine Zwölftel-Oktaven, nur einfache Schwingungsverhältnisse (wie ja auch die Oktave allgemein als das Schwingungsverhältnis "eins zu zwei" definiert ist). Das WE-Projekt verwendet zwar die 53er-Temperatur des Großen Quintenzirkels, aber in diesem Artikel werden alle semantischen Verwechslungen vermieden.

Die viel bemühte "enharmonische Verwechslung" setzt sich über unterschiedliche Tonbezeichnungen (c, his) hinweg. Im WE-Projekt wird sich eine solche Verwechslung als Rückung um 1 Komma akustisch bemerkbar machen, und das ist gut so: Der Hörer hat sozusagen ein Recht zu erfahren, wann verwechselt wird.

Da in beiden Temperaturen (12er und 53er) die "Terztöne" aus dem Vorrat der "Quinttöne" entnommen werden, benötigen wir auch hier klare semantische Unterscheidung. Wir werden uns an den Wikipedia-Artikel Reine Stimmung anlehnen. Da es jedoch unsicher ist, ob Über- und Unterstreichungen auf allen Bildschirmen richtig dargestellt werden, schlage ich folgende Alternativ-Schreibweisen vor:

Die im erwähnten Wikipedia-Artikel verwendete Überstreichung kann hier der Einfachheit halber auch weggelassen werden, da wir "Quinttöne" mit großen Anfangslettern schreiben. — Für die Notenschrift gilt außerdem: Ein Vorzeichen (z. B. ein Auflösungszeichen) vor einer Note macht einen Schrägstrich am Zeilenanfang ungültig.

Man beachte: Wird in 12er-Temperatur (Klavier) ein D doppelt erniedrigt, so ist es akustisch dem C gleich. In der 53er-Temperatur liegt es ein Komma unter C und somit in der nächst-tieferen Oktave (wie ja auch auf dem Klavier ein doppelt erhöhtes H in die nächst-höhere Oktave fällt).

6  Tonnamen der Partitur


Hier die wichtigsten Töne der 53er-Temperatur über den gesamten Tonumfang der Wave Engine (9 Oktaven), mit den üblichen Namen sowie mit den fortlaufenden WE-internen Nummern und den Partitur-Bezeichnungen.

Alle aufgelisteten Töne sind "quintverwandt"; "Terztöne" haben andere Bezeichnungen, obwohl sie — bedingt durch die temperierte Stimmung — mit "Quinttönen" akustisch zusammenfallen.

Ton a' (= 440 Hz) wird mit "4A" bezeichnet, ais' mit "4A#" und aisis' mit "4A##" oder "4A2#". Entsprechend wird as' mit "4Ab" und ases' mit "4Abb" oder "4A2b" bezeichnet. — Mit den "Terztönen" wird ähnlich verfahren: 1 Komma unter "4A" liegt "4A/"; 1 Komma über "4A" liegt "4A\", 2 Kommas über "4A" liegt "4A\\" etc.


7  Den Zirkel durchlaufen


Obgleich es kaum musikalische Bedeutung hat, wollen wir den Großen Quintenzirkel einmal hörbar durchlaufen, um zu sehen, wodurch er sich vom Kleinen Quintenzirkel unterscheidet. Nebenstehend sehen Sie einen Ausschnitt aus der Partitur. (Es fehlen die einleitenden Angaben wie Geschwindigkeit, Klangfarbe, Abklingverhalten etc., denn hier soll es hauptsächlich um den Großen Quintenzirkel und die Schreibweise der Töne gehen.)

Erläuterung der Zeichen: "A{ ... }" ist eine "Notenzeile" für das Manual A. (Die Manuale B, C, D sind nicht im Einsatz.) ":1/8" bzw. ":1/16" bedeutet, dass alle folgenden Töne Achtel- bzw. Sechzehntel-Noten darstellen. In den letzten Zeilen: Der Unterstrich ("_") bedeutet Pause, die Tilde ("~") Weiterklingen. Der Punkt am Schluss verhindert die Interpretation von eventuell nachfolgendem Code.

Im Video können Sie die oben gehörten Töne visuell verfolgen: Der Zirkel beginnt mit einem C-Dur-Septakkord (3E/−3G−4C−3Bb) und läuft über F-Dur, B-Dur, Es-Dur, As-Dur, Des-Dur etc. bis Aseseseseseseses-Dur (3C7b/−3E8b−4A8b), das wie C-Dur klingt.



8  Skalen


Mit den Tönen der C-Skala, wie sie in Wikipedia unter "Erweiterte reine Stimmung" beschrieben ist, ist praktisch nicht viel anzufangen. Interessant wird es erst, wenn unterschiedliche Skalen (gleiche Skalen mit unterschiedlichem Grundton) in Beziehung treten.

In der C-Skala taucht — neben reinen Intervallen — auch das Intervall D−a auf, quasi eine zu klein geratene Quinte. Ich ziehe es allerdings vor, hier von "keiner" Quinte zu sprechen, denn in der Definition "2:3" für die Quinte haben Toleranzen ebenso wenig verloren wie etwa bei der Winkelsumme im Dreieck. Es ist klar, dass das Intervall D−a vermieden werden sollte.

Zwölf Töne einer Skala reichen meist nicht aus. In solchen Fällen bietet sich ein Übergang auf eine benachbarte Skala an. Die G-Skala liefert die Quinte D−A, die F-Skala die Quinte d−a (siehe nächstes Kapitel).

Im Konzept der Wave Engine werden Skalen nicht unterstützt. (Im Artikel "Der Große Quintenzirkel" wird näher auf sie eingegangen.) Gleichwohl sollen Skalen berücksichtigt werden, schon um der Spielbarkeit mit echten Manualen willen. Außerdem können außerhalb von Skalen schauerliche Klänge erzeugt werden — und eine in Hardware gegossene WE würde sicherlich dazu missbraucht.

Man könnte der WE einen Compiler vorschalten, der aus einer grafischen Notenschrift eine WE-Partitur erzeugt und dabei an Skalen gebunden ist. Wie auch immer, wichtig ist, dass die WE-Partitur dies alles festhalten kann. Wie sie das schafft, ist das Hauptthema dieses Artikels.

9  Partiturelemente


Die Partitur bezieht sich auf ein Instrument mit vier Manualen, jedes neun Oktaven breit, mit maximal sechs Stimmen pro Manual. Jede Stimme besteht aus drei Teilstimmen, bestehend aus je 16 Teiltönen. Die Teilstimmen tun im Prinzip alle dasselbe, aber ihre Klangfarben und Abklingvorgänge können sich unterscheiden.

Es gibt fünf Arten von Partiturzeilen: (1) Fixe Vorgaben; (2) Einstellungen; (3) Registrierung; (4) Notenzeilen; (5) Kommentare. — Beispiele:

(1) Fixe Vorgaben: Draft-Betriebsart (schneller, aber auf 11 Kiloherz beschnitten); Mono/Stereo hat ebenfalls Einfluss auf die Geschwindigkeit der Interpretation.

(2) Einstellungen (veränderbar): Viertelnoten pro Minute; beteiligte Kanäle (Manuale); Wahl der Stimmung (12er- oder 53er-Temperatur); Frequenz des "eingestrichenen A" (a').

(3) Registrierung (veränderbar): Nach einer "Habitus"-Marke ("*1") folgen die Werte für Abklingen ("Fading"), Nachklingen ("Sustain") und Separieren der Töne ("Staccato"). Der zweite Wert für Staccato ist der zeitliche Vorlauf vor dem Einsetzen des nächsten Tons.


(4) Notenzeilen: In einer Partiturzeile sind 3 "Notenzeilen" für 3 Manuale gezeigt. Die Notendauer (":1/4") gilt für die folgenden Töne, bis eine neue Angabe erscheint.


(5) Kommentar-Klammern ("{{ ... }}") können auch dazu verwendet werden, eine Anzahl Partiturzeilen oder Teile einer Zeile außer Funktion zu setzen. Dreifache Kommentar-Klammern
("{{{ ... }}}") dienen dazu, Kommentare (z. B. Song-Titel) in die Wave-Datei zu schreiben. (Dort sollten auch alle relevanten Einstellungen verzeichnet werden — abschaltbar, versteht sich.)

10  Habitus


Hinter dem Begriff "Habitus" verbirgt sich alles, was durch "Registrierung" festgelegt wurde. Der Unterschied von "Registrierung" zu "Einstellungen" ist, dass bei Änderung nicht jedesmal eine neue Partiturzeile eingefügt werden muss. Ein Datensatz wird nummeriert abgespeichert und in Notenzeilen durch das Habitus-Symbol (einen Stern mit der betreffenden Nummer, z. B. "*1") aufgerufen.

Diese Einrichtung ist sehr flexibel. Ausgehend von einer Voreinstellung brauchen in "reg"-Zeilen nur wenige Komponenten verändert zu werden, um einen neuen "Habitus" zu definieren, — oder es ändert sich "alles". So kann z. B. vor einer Note ein Akzent gesetzt werden, der die eine Note lauter als ihre Nachbarn ertönen lässt, — oder es erfolgt eine neue Registrierung der beteiligten Manuale mit allem was dazugehört.

Hier nun ein Beispiel für die Registrierung von Teiltönen, ausführlich und in Kurzform (mit gleicher Wirkung, vorausgesetzt die Voreinstellung aller Werte war "Null"):

Die runden Klammern bezeichnen die 3 Teilstimmen zu je 16 Teiltönen. Die Teiltöne müssen nur dann nummeriert werden, wenn Lücken vorhanden sind. Die Werte bestimmen die Anfangs-Lautstärke. (Das Abklingverhalten wurde im letzten Kapitel behandelt.)